1. Das erste Volksbad
An der Stelle des „Alten Volksbads“ stand schon zuvor ein noch älteres „Volksbrausebad“. Es war eines der ersten im Deutschen Reich aber mit seinen 19 Duschen bald zu klein für die bevölkerungsreiche Neckarstadt. Fast 40 Jahre wurde hier für wenig Geld geduscht. 1929 wurde es für den heutigen Neubau abgerissen.
Was war denn ein „Volksbrausebad“ überhaupt?
In einem „Volksbrausebad“ konnten Menschen duschen. Für nur 10 Pfennig gab es zum sogenannten „Brausebad“ ein Handtuch und ein Stückchen Seife. Solche Bäder dienten nur der Hygiene, nicht der Entspannung: Der Badebesuch samt Umkleiden durfte nicht länger als 30 Minuten dauern, die Wassertemperatur wurde zentral geregelt und betrug an kalten Wintertagen auch nicht mehr als 22 °C – auch Pfeifen und Singen waren im Bad verboten.
Dennoch boten diese öffentlichen Bäder um 1900 für Viele die einzige Möglichkeit sich richtig zu waschen. Vor allem wenn im Winter an ein Bad im Rhein oder Neckar nicht zu denken war. Denn die meisten Menschen besaßen damals kein eigenes Badezimmer und oft fehlte sogar fließendes Wasser in der Wohnung.
Die ersten Volksbrausebäder (1880er)
Volksbäder wurden in vielen deutschen Städten um 1900 errichtet. Grund war die Sorge vor Epidemien, die sich in den unhygienischen Städten der Industrialisierung häuften. Als Reaktion diskutierten Mediziner:innen geeignete Hygiene-Maßnahmen – so auch den Bau öffentlicher Volksbäder.
Vergleichsweise früh öffneten in Mannheim schon 1890 zwei „Volksbrausebäder“: eines in der (1) Schwetzinger- und eines in der (2) Neckarvorstadt. Beide Bäder dienten als Test, ob Volksbäder in Mannheim Erfolg hätten. Beim Bau der neuen Einrichtung orientierte sich die Stadt an den kurz zuvor errichteten Volksbädern in Wien (1887) und Frankfurt (1889).
Entscheidung im Stadtrat: Gegen Pandemie und Sozialdemokratie
Die Wiener Volksbäder und das Frankfurter Merianbad überzeugten den Mannheimer Stadtrat, weil die Bäder vom ersten Tag an hohe Besuchszahlen verzeichneten. Damit deckten sie einerseits alle Bau- und Betriebskosten. Andererseits ließen sich die Menschen von den weniger komfortablen Duschen offenbar nicht abschrecken – das war wichtig, begründete ein Mannheimer Stadtrat. Denn durch die gewohnte, aber teureren „Wannenvollbäder [könne] der gewünschte Erfolg, der Bevölkerung eine billige Badegelegenheit zu verschaffen, nicht erzielt werden“. Nach etwa eineinhalb Jahren fand sich im November 1889 endlich eine Mehrheit im Stadtrat für den öffentlichen Bäderbau. Bereits im Folgejahr konnten die beiden „Volksbrausebäder“ eröffnet wurden.
Es ist klar, dass die Bäder nicht bloß aus gutem Willen erbaut wurden. Maßgeblich war vor allem die Sorge vor Epidemien, die oft in den Armenvierteln entstanden, dann aber auch das wohlhabendere Bürgertum betrafen. Ein anderer Grund mag der Versuch von bürgerlichen Parteien gewesen sein, die selbstbewusste Bewegung der Arbeiter:innen für sich zu gewinnen. So mahnte 1889 der liberale Generalanzeiger:
„Die Arbeiterbevölkerung möge [aus dem Bau der Volksbrausebäder] erkennen, dass es der nationalliberalen Partei Ernst ist mit ihren Versprechungen und […] dass ihr mit solchen Werken eines guten Bürgertums mehr gedient wird zur Besserung ihrer Lage als mit den öden Phrasen der Agitatoren“.
Wie sah denn dieses erste „Volksbrausebad“ aus?
Das „Volksbrausebad“ Neckarstadt (3) war ein funktionales Gebäude aus Backstein mit einem Laternendach, durch das Tageslicht von oben einfiel und das etwas Belüftung zuließ. Im Erdgeschoss befanden sich die Duschen, im Keller die Heizanlage. Mit seinen 13m x 13m war es eher kompakt. Sein Charme lässt sich heute am ehesten mit der Dusche eines Camping-Platzes vergleichen.
Von der Kasse im Eingang koordinierten Bademeister und Ehefrau den Badebetrieb.
Das umfasste zum Einen die Wartung der Technik. Akribisch mussten Wassertemperatur und mehr gemessen, kleinere Reparaturen im Bad durchgeführt und der Ofen im Keller mühsam mit Kohlen angeheizt werden.
Zum Anderen wurden an der Kasse natürlich die Badekarten verkauft sowie Seife und Handtuch ausgegeben. Ab hier wurde streng nach Geschlechtern getrennt: Für Männer standen zunächst 10, später 17 Duschen, für Frauen nur 2 Duschen und eine Wanne zur Verfügung. Samstags und Sonntags durften Frauen das Bad nicht besuchen, um den werktags lohnarbeitenden Männern Platz zu machen. Jede Dusche bot mit ihrer verschließbaren Kabinen sogar ein wenig Privatsphäre – solche Rückzugsräume fehlten in den eigenen, oft überbelgten Wohnungen. Es wurde sich in der Kabine umgezogen und die Kleidung auf einem Hocker oder Kleiderhaken platziert.
Erfolg: Bau weiterer Volksbäder in Mannheim
Das Volksbrausebad war ein Erfolg: schon im ersten Jahr wurden etwa 1.600 Besuche pro Woche verzeichnet. Überrascht vom großen Andrang wurde im Herbst 1891 eine zusätzliche Wartehalle gebaut wurde. Zusätzlich wurden Volksbäder in anderen Stadtteilen gebaut (vgl. Karte unten). 1901 eröffnete das Lindenhof-Bad, das mit 37 Kabinen gleich doppelt so groß war. Sonst wurden eher kleinere Volksbäder in den Stadtteilschulen eingerichtet.
Ausblick: Das erste „Volksbrausebad“ wird zu alt
Das Neckarstädter „Volksbrausebad“ blieb bis 1929, also fast 40 Jahre in Betrieb. Zuletzt war es veraltet und für den bevölkerungsreichen Stadtteil zu klein. Gleichzeitig wurden an öffentliche Bäder neue Anforderungen gestellt. Sinnbildlich wird das am prächtigen Herscheldbad, das 1920 fertiggestellt wurde und mit Schwimmhallen, Volksbad, Sauna und mehr sowohl zur Körperhygiene als auch zur aktiven Freizeit beitrug.
Karte der Mannheimer Volksbäder (1890 – 1988)
Auflistung von städtischen und ausgewählten privaten Volksbädern in Mannheim in Reihenfolge der Inbetriebnahme:
- Neckarstadt – Mittelstr. 42
1890–1929 & 1931–1988 - Schwetzingerstadt – Keppler-/Schwetzingerstr.
1890–1940er Jahre - (Privat) Appollobad – Laurentiusstr. 26
Min. ab 1900 - Lindenhof – Windeckstr. 45
1901–1940er Jahre - Neckarau – Rathausstr. 4 (im Rathaus)
1904–1976 - Waldhofschule – Oppauer Str. 1–3
1904–1976 - Käferstalschule – Wormserstr. 26
1906–1976 - Feudenheimschule – Neckarstr. 4–6
1910–1976 - (Privat) Amalienbad – Gärtnerstr. 47
Min. ab 1911 - Sandhofenschule – Kriegerstr. 28–30
1912–1976 - Rheinauschule – Mutterstadter Str. 5
1912–1976 - Herschelbad (mit Volksbad) – U 3, 1
1920-heute - Friedrichschule – Mühlhauser Str. 1a
1930–1976 - Seckenheimschule – Zähringerstr. 66
1930–1976 - Luzenbergschule – Sandhofer Str. 1–3
1950–1976 - Schönauschule – Kattowitzer Zeile 68
1950–1976
Abbildungsnachweise
- MARCHIVUM, Plansammlung, PL01357. ↩︎
- E. Bäumer: Über Volksbäder, S. 46, in: Deutsche Gesellschaft für Volksbäder (Hrsg.): Veröffentlichungen der Deutschen Gesellschaft für Volksbäder, Bd. 5, Berlin 1901, S. 33–49. ↩︎
- MARCHIVUM, Einzelbilder, GF00695. ↩︎
- MARCHIVUM, Einzelbilder, GF00217. ↩︎