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1890 – 1929

1. Das erste Volksbad

Was war denn ein „Volksbrausebad“ überhaupt?

In einem „Volks­brau­se­bad“ konn­ten Men­schen duschen. Für nur 10 Pfen­nig gab es zum soge­nann­ten „Brau­se­bad“ ein Hand­tuch und ein Stück­chen Sei­fe. Sol­che Bäder dien­ten nur der Hygie­ne, nicht der Ent­span­nung: Der Bade­be­such samt Umklei­den durf­te nicht län­ger als 30 Minu­ten dau­ern, die Was­ser­tem­pe­ra­tur wur­de zen­tral gere­gelt und betrug an kal­ten Win­ter­ta­gen auch nicht mehr als 22 °C – auch Pfei­fen und Sin­gen waren im Bad verboten.

Den­noch boten die­se öffent­li­chen Bäder um 1900 für Vie­le die ein­zi­ge Mög­lich­keit sich rich­tig zu waschen. Vor allem wenn im Win­ter an ein Bad im Rhein oder Neckar nicht zu den­ken war. Denn die meis­ten Men­schen besa­ßen damals kein eige­nes Bade­zim­mer und oft fehl­te sogar flie­ßen­des Was­ser in der Wohnung.

Die ersten Volksbrausebäder (1880er)

Volks­bä­der wur­den in vie­len deut­schen Städ­ten um 1900 errich­tet. Grund war die Sor­ge vor Epi­de­mien, die sich in den unhy­gie­ni­schen Städ­ten der Indus­tria­li­sie­rung häuf­ten. Als Reak­ti­on dis­ku­tier­ten Mediziner:innen geeig­ne­te Hygie­ne-Maß­nah­men – so auch den Bau öffent­li­cher Volksbäder.

Ver­gleichs­wei­se früh öff­ne­ten in Mann­heim schon 1890 zwei „Volks­brau­se­bä­der“: eines in der (1) Schwet­zin­ger- und eines in der (2) Neckar­vor­stadt. Bei­de Bäder dien­ten als Test, ob Volks­bä­der in Mann­heim Erfolg hät­ten. Beim Bau der neu­en Ein­rich­tung ori­en­tier­te sich die Stadt an den kurz zuvor errich­te­ten Volks­bä­dern in Wien (1887) und Frank­furt (1889).

(1) Plan des Volks­bads Schwet­zin­ger­stadt1
(2) Grund­riss des Volks­brau­se­bads Neckar­stadt2

Entscheidung im Stadtrat: Gegen Pandemie und Sozialdemokratie

Die Wie­ner Volks­bä­der und das Frank­fur­ter Meri­an­bad über­zeug­ten den Mann­hei­mer Stadt­rat, weil die Bäder vom ers­ten Tag an hohe Besuchs­zah­len ver­zeich­ne­ten. Damit deck­ten sie einer­seits alle Bau- und Betriebs­kos­ten. Ande­rer­seits lie­ßen sich die Men­schen von den weni­ger kom­for­ta­blen Duschen offen­bar nicht abschre­cken – das war wich­tig, begrün­de­te ein Mann­hei­mer Stadt­rat. Denn durch die gewohn­te, aber teu­re­ren „Wan­nen­voll­bä­der [kön­ne] der gewünsch­te Erfolg, der Bevöl­ke­rung eine bil­li­ge Bade­ge­le­gen­heit zu ver­schaf­fen, nicht erzielt wer­den“. Nach etwa ein­ein­halb Jah­ren fand sich im Novem­ber 1889 end­lich eine Mehr­heit im Stadt­rat für den öffent­li­chen Bäder­bau. Bereits im Fol­ge­jahr konn­ten die bei­den „Volks­brau­se­bä­der“ eröff­net wurden.

Es ist klar, dass die Bäder nicht bloß aus gutem Wil­len erbaut wur­den. Maß­geb­lich war vor allem die Sor­ge vor Epi­de­mien, die oft in den Armen­vier­teln ent­stan­den, dann aber auch das wohl­ha­ben­de­re Bür­ger­tum betra­fen. Ein ande­rer Grund mag der Ver­such von bür­ger­li­chen Par­tei­en gewe­sen sein, die selbst­be­wuss­te Bewe­gung der Arbeiter:innen für sich zu gewin­nen. So mahn­te 1889 der libe­ra­le Generalanzeiger:

„Die Arbei­ter­be­völ­ke­rung möge [aus dem Bau der Volks­brau­se­bä­der] erken­nen, dass es der natio­nal­li­be­ra­len Par­tei Ernst ist mit ihren Ver­spre­chun­gen und […] dass ihr mit sol­chen Wer­ken eines guten Bür­ger­tums mehr gedient wird zur Bes­se­rung ihrer Lage als mit den öden Phra­sen der Agitatoren“.

Wie sah denn dieses erste „Volksbrausebad“ aus?

Das „Volks­brau­se­bad“ Neckar­stadt (3) war ein funk­tio­na­les Gebäu­de aus Back­stein mit einem Later­nen­dach, durch das Tages­licht von oben ein­fiel und das etwas Belüf­tung zuließ. Im Erd­ge­schoss befan­den sich die Duschen, im Kel­ler die Heiz­an­la­ge. Mit sei­nen 13m x 13m war es eher kom­pakt. Sein Charme lässt sich heu­te am ehes­ten mit der Dusche eines Cam­ping-Plat­zes vergleichen.

(3) Ein sel­te­nes Foto des ers­ten Volks­brau­se­bads in der Neckar­stadt. Die Auf­nah­me stammt ver­mut­lich von 1929, als das Volks­brau­se­bad bereits zum Abriss bestimmt wor­den war und hin­ter einem höl­zer­nen Bau­zaun ver­schwand.3

Von der Kas­se im Ein­gang koor­di­nier­ten Bade­meis­ter und Ehe­frau den Bade­be­trieb.
Das umfass­te zum Einen die War­tung der Tech­nik. Akri­bisch muss­ten Was­ser­tem­pe­ra­tur und mehr gemes­sen, klei­ne­re Repa­ra­tu­ren im Bad durch­ge­führt und der Ofen im Kel­ler müh­sam mit Koh­len ange­heizt werden.

Zum Ande­ren wur­den an der Kas­se natür­lich die Bade­kar­ten ver­kauft sowie Sei­fe und Hand­tuch aus­ge­ge­ben. Ab hier wur­de streng nach Geschlech­tern getrennt: Für Män­ner stan­den zunächst 10, spä­ter 17 Duschen, für Frau­en nur 2 Duschen und eine Wan­ne zur Ver­fü­gung. Sams­tags und Sonn­tags durf­ten Frau­en das Bad nicht besu­chen, um den werk­tags lohn­ar­bei­ten­den Män­nern Platz zu machen. Jede Dusche bot mit ihrer ver­schließ­ba­ren Kabi­nen sogar ein wenig Pri­vat­sphä­re – sol­che Rück­zugs­räu­me fehl­ten in den eige­nen, oft über­belg­ten Woh­nun­gen. Es wur­de sich in der Kabi­ne umge­zo­gen und die Klei­dung auf einem Hocker oder Klei­der­ha­ken platziert.

Erfolg: Bau weiterer Volksbäder in Mannheim

Das Volks­brau­se­bad war ein Erfolg: schon im ers­ten Jahr wur­den etwa 1.600 Besu­che pro Woche ver­zeich­net. Über­rascht vom gro­ßen Andrang wur­de im Herbst 1891 eine zusätz­li­che War­te­hal­le gebaut wur­de. Zusätz­lich wur­den Volks­bä­der in ande­ren Stadt­tei­len gebaut (vgl. Kar­te unten). 1901 eröff­ne­te das Lin­den­hof-Bad, das mit 37 Kabi­nen gleich dop­pelt so groß war. Sonst wur­den eher klei­ne­re Volks­bä­der in den Stadt­teil­schu­len eingerichtet.

(4) In den meis­ten Stadt­tei­len wur­den Volks­bä­der in Schul­ge­bäu­den ein­ge­rich­tet, wie hier in der Käfer­tal-Schu­le. Unten rechts fin­det sich ein wei­ßes Schild, das auf das „Städt. Volks­bad“ hin­weist.4

Ausblick: Das erste „Volksbrausebad“ wird zu alt

Das Neckar­städ­ter „Volks­brau­se­bad“ blieb bis 1929, also fast 40 Jah­re in Betrieb. Zuletzt war es ver­al­tet und für den bevöl­ke­rungs­rei­chen Stadt­teil zu klein. Gleich­zei­tig wur­den an öffent­li­che Bäder neue Anfor­de­run­gen gestellt. Sinn­bild­lich wird das am präch­ti­gen Her­scheld­bad, das 1920 fer­tig­ge­stellt wur­de und mit Schwimm­hal­len, Volks­bad, Sau­na und mehr sowohl zur Kör­per­hy­gie­ne als auch zur akti­ven Frei­zeit beitrug.

Karte der Mannheimer Volksbäder (1890 – 1988)

Auf­lis­tung von städ­ti­schen und aus­ge­wähl­ten pri­va­ten Volks­bä­dern in Mann­heim in Rei­hen­fol­ge der Inbetriebnahme:

  1. Neckar­stadt – Mit­tel­str. 42
    1890–1929 & 1931–1988
  2. Schwet­zin­ger­stadt – Kepp­ler-/Schwet­zin­ger­str.
    1890–1940er Jah­re
  3. (Pri­vat) Appol­lo­bad – Lau­ren­ti­us­str. 26
    Min. ab 1900
  4. Lin­den­hof – Wind­eck­str. 45
    1901–1940er Jah­re
  5. Neckar­au – Rat­haus­str. 4 (im Rat­haus)
    1904–1976
  6. Wald­hof­schu­le – Oppau­er Str. 1–3
    1904–1976
  7. Käfer­s­tal­schu­le – Worm­ser­str. 26
    1906–1976
  8. Feu­den­heim­schu­le – Neckar­str. 4–6
    1910–1976
  9. (Pri­vat) Ama­li­en­bad – Gärt­ner­str. 47
    Min. ab 1911
  10. Sand­ho­fen­schu­le – Krie­ger­str. 28–30
    1912–1976
  11. Rheinau­schu­le – Mut­ter­stad­ter Str. 5
    1912–1976
  12. Her­schel­bad (mit Volks­bad) – U 3, 1
    1920-heu­te
  13. Fried­rich­schu­le – Mühl­hau­ser Str. 1a
    1930–1976
  14. Secken­heim­schu­le – Zäh­rin­ger­str. 66
    1930–1976
  15. Luzen­berg­schu­le – Sand­ho­fer Str. 1–3
    1950–1976
  16. Schönau­schu­le – Kat­to­wit­zer Zei­le 68
    1950–1976

Abbildungsnachweise

  1. MARCHIVUM, Plan­samm­lung, PL01357. ↩︎
  2. E. Bäu­mer: Über Volks­bä­der, S. 46, in: Deut­sche Gesell­schaft für Volks­bä­der (Hrsg.): Ver­öf­fent­li­chun­gen der Deut­schen Gesell­schaft für Volks­bä­der, Bd. 5, Ber­lin 1901, S. 33–49. ↩︎
  3. MARCHIVUM, Ein­zel­bil­der, GF00695. ↩︎
  4. MARCHIVUM, Ein­zel­bil­der, GF00217. ↩︎