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1931 – 1988

4. Das Volksbad im Neubau

Sta­tis­tik Volks­bad Neckar­stadt 1931–1962

Startschuss 1929 – eine halbe Million Mark für den Neubau

Anfang der 1920er Jah­re dis­ku­tier­ten Mann­hei­mer Stadt­rä­te über einen Neu­bau des Volks­brau­se­bads Neckar­stadt. Das 1890 eröff­ne­te Gebäu­de galt als tech­nisch über­holt und für den bevöl­ke­rungs­rei­chen Stadt­teil als zu klein. Es fehl­te aber Geld zur Umset­zung. Erst im Dezem­ber 1929 bewil­lig­te der Stadt­rat stol­ze 513.000 Mark für einen Neu­bau, in dem neben dem Volks­bad auch eine Zweig­stel­le des Für­sor­ge­am­tes und eine Müt­ter­be­ra­tungs­stel­le ein­ge­rich­tet wur­den (1+2).

(1) Blick in die Bau­stel­le des Volks­bad-Neu­baus. Foto von 1930.1
(2) Das Gebäu­de Mit­tel­stra­ße 42 kurz nach Eröff­nung im März 1931.2

Mehr Platz im neuen Volksbad Neckarstadt

Im März 1931 eröff­ne­te das Volks­bad Neckar­stadt in sei­ner heu­ti­gen Form. Mit sei­nen 40 Kabi­nen – dar­un­ter 12 Wan­nen- und 28 Dusch­ka­bi­nen – war es gleich dop­pelt so groß wie der ursprüng­li­che Bäder-Pavil­lon. Zusätz­lich war ein Anbau vor­be­hal­ten wor­den, in dem schon 1934 wegen der hohen Besuchs­zah­len 15 wei­te­re Duschen ein­ge­rich­tet wur­den (3).

(3) Grund­riss des Volks­bads Neckar­stadt von 1931. Zu erken­nen ist links die Bäder­ab­tei­lung mit den qua­dra­ti­schen Duschen und ova­len Bade­wan­nen; unten rechts befin­det sich der Tech­nik­raum mit über Röh­ren ver­bun­de­nen Gas- und Was­ser­kes­sel; oben rechts ver­läuft ent­lang des Hofs der Erwei­te­rungs­an­bau von 1934 – heu­te als Lager des Ver­eins genutzt.3

Geschlechtertrennung – aber mehr Platz für Männer?

Im neu­en Volks­bad wur­de die Geschlech­ter­tren­nung fort­ge­setzt. Sie soll­te ein unge­stör­tes Bad mit aus­rei­chend Pri­vat­sphä­re sicher­stel­len. Bau­lich zeigt sich das in zwei getrenn­ten Bäder­be­rei­chen: Von der zen­tra­len Kas­se am Ein­gang gelang­ten Bade­gäs­te links in den Frau­en-War­te­raum, rechts in den der Män­ner. Von dort konn­ten die gleich gro­ßen Bäder­be­rei­che mit je 6 Wan­nen und 8 Duschen erreicht wer­den. An der Stirn­sei­te stan­den den Män­nern aller­dings wei­te­re 12 bzw. spä­ter 27 Duschen zur Verfügung.

Zumin­dest auf den ers­ten Blick schie­nen Frau­en- und Män­ner­ab­tei­lung gleich groß, wäh­rend die zusätz­li­chen Kabi­nen für Män­ner im hin­te­ren Bereich „ver­steckt“ wur­den. Die­ser archi­tek­to­ni­sche Kom­pro­miss soll­te einer­seits den wei­ter­hin höhe­ren Besuchs­zah­len an Män­nern Rech­nung getra­gen wer­den. Ande­rer­seits wur­den in den 1920er Jah­ren die getrennt­ge­schlecht­li­chen Bäder­be­rei­che meist gleich groß gebaut. Grund dafür war, dass die in der Wei­ma­rer Repu­blik pos­tu­lier­te, poli­ti­sche Gleich­be­rech­ti­gung auch in öffent­li­chen Gebäu­den sicht­bar wer­den soll­te. Zusätz­lich arbei­te­te etwa 1/3 der erwerbs­fä­hi­gen Frau­en in Lohn­ar­beit, sodass ein regel­mä­ßi­ges Bad nicht nur nötig, son­dern auch vom eige­nen Gehalt bezahlt wer­den konnte.

Im Ver­hält­nis wird der Schritt zur Anglei­chung an Bade­ge­le­gen­hei­ten erkenn­bar: Kamen im ers­ten Volks­brau­se­bad noch 6 Bade­mög­lich­kei­ten für Män­ner auf eine für Frau­en, stan­den im neu­en Volks­bad jeder Bade­mög­lich­keit für Frau­en nur noch 2 bzw. 3 für Män­ner gegenüber.

Innenarchitektur – Zweckmäßigkeit & Rationalität

Das Volks­bad wur­de zeit­ty­pisch zweck­mä­ßig und ohne funk­ti­ons­lo­se Deko­ra­tio­nen gestal­tet. So scheint der Bäder­be­reich heu­te zwar nüch­tern, ent­sprach aber dem dama­li­gen Hygie­ne­be­wusst­sein: Die voll­stän­dig aus hel­ler Kera­mik geflies­ten Bade­ka­bi­nen waren was­ser­dicht, zeig­ten Schmutz und lie­ßen sich leicht rei­ni­gen. Eben­so galt es als modern das Bad „aus einem Guss“ aus­zu­stat­ten, also Wan­ne, Dusche und sogar Sei­fen­hal­ter mit dem Bad zu ver­schmel­zen – die dafür hand­ge­fer­tig­ten Flie­sen wur­den laut Bau­auf­trag von einem Betrieb aus der Neckar­stadt gelie­fert (4).

(4) Blick in der moder­nen Kabi­nen mit Flie­sen und Wan­ne „aus einem Guss“. Foto aus dem Eröff­nungs­jahr 1931.4

Im Neu­en Bau­en wur­den aber auch Licht und Luft eine bedeu­ten­de Funk­ti­on zuge­wie­sen. So gelang natür­li­ches Licht von den seit­li­chen Fens­tern in die Kabi­nen, weil die Kel­ler­de­cke leicht über dem Stra­ßen­ni­veau ange­legt wur­de. Zusätz­lich wur­de das Bad mit elek­tri­schem Licht voll­stän­dig beleuchtet.

Auch die Belüf­tungs­an­la­ge war eine wich­ti­ge Neue­rung. Immer­hin ent­sandt beim Bade­be­trieb im Kel­ler schnell sti­cki­ger Was­ser­dampf, der über die Lüf­tung unter der Decke ange­saugt und gegen fri­sche Luft getauscht wur­de. Die nach oben offe­nen Kabi­nen unter­stütz­ten die Belüf­tung (5).

(5) Blick in den zeit­ty­pisch zweck­mä­ßig gestal­te­ten Bäder­be­reich der Frau­en. Die gro­ße Uhr soll­te Gäs­te an die Ein­hal­tung der knap­pen Bade­zei­ten erin­nern; in den Türen sind Bade­uh­ren erkenn­bar, die vom Bäder­per­so­nal auf die Uhr­zeit ein­ge­stellt wur­de, zu der die Bade­ka­bi­ne wie­der ver­las­sen wer­den muss­te. Foto von 1931.5

Ausstattung – wie im ersten Volksbrausebad

Die Kabi­nen waren funk­tio­nal mit einem Klei­der­ha­ken, Holz­ho­cker und einem Spie­gel mit Abla­ge aus­ge­stat­tet. Dies galt in fast allen deut­schen Volks­bä­dern als Grund­aus­stat­tung. Der klei­ne Spie­gel auf Kopf­hö­he bot aller­dings nur die Mög­lich­keit zur Rasur oder zum Schmin­ken, nicht aber zur unge­stör­ten Unter­su­chung des Kör­pers im medi­zi­ni­schen Sin­ne – und das obwohl in den meis­ten Haus­hal­ten noch immer Pri­vat­sphä­re und oft auch grö­ße­re Spie­gel fehlten.

Modernisierung – das erste Volksbad mit Gasanschluss

Mit dem Neu­bau erhielt das Volks­bad Neckar­stadt als ers­tes der Mann­hei­mer Bäder einen Gas­an­schluss. Was­ser und Hei­zun­gen konn­ten nun auf kon­stan­ter Tem­pe­ra­tur mit Gas befeu­ert wer­den. Das war vor allem für das Bäder­per­so­nal eine gro­ße Ent­las­tung, das nun kei­ne Koh­len mehr in die Öfen schip­pen muss­te. Eben­so ent­fiel die logis­tisch auf­wän­di­ge Anlie­fe­rung und Lage­rung der Koh­len. In der Nach­kriegs­zeit konn­te der Bade­be­trieb wegen der Gas­ver­sor­gung nur in der Neckar­stadt auf­recht­erhal­ten wer­den (6).

(6) Die Gas­kes­sel des Volks­bads waren das tech­ni­sche Herz­stück und für das Bäder­per­so­nal eine gro­ße Erleich­te­rung gegen­über den bis­he­ri­gen Koh­le­öfen. Foto von 1931.6

Bau der 2. Etage 1952 – Die Jugend-Beratungsstelle

Manche:r mag bemerkt haben, dass das ursprüng­li­che Gebäu­de eine Eta­ge klei­ner war. Das zwei­te Stock­werk wur­de näm­lich erst 1952 hin­zu­ge­fügt, um dort eine soge­nann­te Heil­päd­ago­gi­sche Bera­tungs­stel­le einzurichten.

Zuvor war das Dach von einer Flie­ger­bom­be im Sep­tem­ber 1943 beschä­digt wor­den (7). Der Bade­meis­ter muss­te sogar zeit­wei­se aus sei­ner Dienst­woh­nung aus­zie­hen. Auch die angren­zen­de Bern­hard-Kahn-Lese­hal­le litt unter Kriegs­schä­den und wur­de Ende der 1940er Jah­re abgerissen.

(7) Das Dach des Volks­bads wur­de 1943 von einer Flie­ger­bom­be beschä­digt. Das Foto von 1948 zeigt die nur not­dürf­ti­ge Repa­ra­tur.7

Wäh­rend die not­wen­di­ge Dach­re­pa­ra­tur geplant wur­de, erhielt die Stadt ein För­der­an­ge­bot: Durch Mit­tel des US-ame­ri­ka­ni­schen McCloy-Fonds konn­te dem Gebäu­de eine zwei­te Eta­ge für eine „Child Gui­dance Cli­nic“ hin­zu­ge­fügt wer­den. Die­se bot von 1953 bis ver­mut­lich 1972 als „Bera­tungs­stel­le der Stadt Mann­heim für Kin­der und Jugend­li­che“ ärzt­li­che Hil­fe für „schwie­ri­ge“ Min­der­jäh­ri­ge an. In geschütz­ter Atmo­sphä­re aus bast­ge­web­ten Wandt­tep­pi­chen und tie­fen Korb­ses­seln the­ra­pier­ten hier Fach­ärz­te see­li­sche Stö­run­gen und klär­ten Eltern über Unter­stüt­zung auf. Damit kann die Stel­le als Vor­läu­fer des Mann­hei­mer Zen­tral­in­sti­tuts für See­li­sche Gesund­heit (ZI) in J5 ange­se­hen wer­den (8).

(8) Mit­hil­fe des McCloy-Fonds konn­te dem Gebäu­de eine zwei­te Eta­ge hin­zu­ge­fügt wer­den, in dem 1952 die Bera­tungs­stel­le für Kin­der und Jugend­li­che – einem Vor­läu­fer des heu­ti­gen ZI – ein­ge­rich­tet wur­de.8

Abbildungsnachweise

  1. Ursprung unbe­kannt; Pri­vat­ar­chiv der Geschichts­werk­statt Neckar­stadt e.V. ↩︎
  2. MARCHIVUM, Ein­zel­bil­der, GP00001, Nr. 14. ↩︎
  3. MARCHIVUM, Plan­samm­lung, PL01711. ↩︎
  4. MARCHIVUM, Ein­zel­bil­der, GP00001, Nr. 19. ↩︎
  5. MARCHIVUM, Ein­zel­bil­der, GP00001, Nr. 18. ↩︎
  6. MARCHIVUM, Ein­zel­bil­der, GP00001, Nr. 20. ↩︎
  7. MARCHIVUM, Alben, AB02131‑8–072. ↩︎
  8. MARCHIVUM, Plan­samm­lung, PL09184. ↩︎