7. Neckarstadt-Sauna
Mitte der 1970er Jahre wurden alle Volksbäder in Mannheim wegen sinkender Besuchszahlen geschlossen – außer das Volksbad Neckarstadt. Um das Bad auch in Zukunft zu erhalten, plante das Sport- und Bäderamt einen Umbau zur Sauna.
1969: Schließung der Volksbäder?
Ab 1969 dachte die Stadt darüber nach die Volksbäder zu schließen. Denn für die Bäder mussten unwirtschaftliche Zuschüsse aufgewendet werden: für ein Wannenbad musste nur 1 DM bezahlt werden, kostete aber 2,70 DM; eine Dusche war mit 50 Pfennig bepreist, verursachte aber Kosten von 2,05 DM.
Grund für die steigenden Kosten waren vor allem die sinkenden Besuchszahlen. Denn immer mehr Menschen hatten nun private Bäder in der eigenen Wohnung und waren nicht mehr auf das Bad außer Haus angewiesen. Trotzdem wurde betont, dass die Volksbäder aus sozialen Gründen weiterhin geöffnet sein sollten. Aus der hygienischen Bedürfnisanstalt für die breite Bevölkerung von einst, wandelten sich die Volksbäder zu einer sozialen Einrichtung für die weniger Wohlhabenden – auch wenn manche Stammgäste aus anderen Gründen weiterhin das Volksbad besuchten.
Bäder neu gedacht: Sportförderung und aktive Freizeit
Zeitgleich wurden ab den 1970er Jahren neue Anforderungen an städtische Bäder gestellt: als reine Badeanstalten hätten sie gegen die attraktiveren, kommerziellen Freizeitaktivitäten keine Zukunft. In volkspädagogischer Manier wurden mehr städtische Freizeitangebote gefordert, die zur gesunden Betätigung und „aktiven Erholung“ motivierten (1). So formulierte das Sport- und Bäderamt im Mannheimer Bäderleitplan von 1977:
„[Bäder] werden auch in Zukunft eine besondere Stellung in der Rangfolge der Freizeiteinrichtungen einnehmen. Dazu gilt es, den Freizeitwert der Bäder zu erhöhen und ihn den Forderungen unserer Gesellschaft anzupassen. Dies erfordert insbesondere eine Abkehr von der ‚Badeanstalt‘ und der Hinwendung zum Bad als Mittelpunkt eines unter vielen Aspekten für alle Bevölkerungs- und Altersgruppen nutzbaren Freizeitbereiches. […] Dem kommerziellen privaten Freizeitangebot muss ein zumindest gleichwertiges öffentliches Angebot gegenüberstehen, das den Aufforderungscharakter zur positiven Gestaltung der zunehmenden Freizeit am Feierabend, Wochenende und im Urlaub in sich birgt.“
In der Folge plante die Stadt den Bau von Hallenbädern (2), die olympischen Richtlinien und dem Vereins- und Schulsport gerecht werden sollten; eine Alternative bildeten lediglich „Gesundheitsbäder“, die ein möglichst breites Angebot zur erholsamen Freizeit bieten sollten.
Anfang 1970er: Die Neckarstadt-Sauna
Das Sport- und Bäderamt reagierte auf diese Veränderungen. Anfang der 1970er Jahre, plante es den Umbau der beiden, noch immer gut besuchten historischen Bäder – das Herschelbad sollte verstärkt der Fitness und Wellness umgewidmet und das Volksbad Neckarstadt zur Sauna werden.
Für den Umbau zur Sauna mit 25 Personen sollte das Volksbad aufgeteilt werden: im „Frauentrakt“ sollte die neue Sauna eingerichtet werden; der „Herrentrakt“ sollte unverändert bleiben und von Männern und Frauen gemeinsam als Volksbad weitergenutzt werden. Dazu sollte der „Frauentrakt“ wie folgt neugestaltet werden: Der Warteraum bliebe erhalten. Daran anschließend sollte eine Umkleide mit Schließfächern aus Keramik eingerichtet werden, von der Duschen und Toiletten abgehen sollten. Über die Umkleide wäre die 20m² große Sauna sowie ein Abkühlraum mit Kaltwasserduschen und Abkühlbecken erreichbar gewesen. Trotz der sehr konkreten Ideen wurde der Umbau von der Stadtverwaltung immer wieder aufgeschoben.
Ab 1976: Das letzte Volksbad in Mannheim
Der Umbau zur Sauna rückte schließlich in weite Ferne als der Gemeinderat am 25. Mai 1976 die Schließung von fast allen Mannheimer Volksbädern bis zum Jahresende beschloss: Zehn, über die Stadtteile verteilte Volksbäder wurden geschlossen; nur die Wannenabteilung des Herschelbads und das Volksbad Neckarstadt blieben geöffnet. In dieser Situation sollte das Volksbad in seiner Rolle als öffentliche Badeanstalt gestärkt werden, anstatt Raum für das „Sauna-Experiment“ zu verbrauchen. Zuletzt verwies die Stadtverwaltung die Befürworter des Saunaplans auf das geplante „Sporthallenbad Neckarstadt“, das auch eine Sauna haben solle – bekanntermaßen verschob sich der Baubeginn des Neckarstädter Hallenbads bis ins Jahr 2022.
Mit der Sauna zukunftsfähig?
Es bleibt offen, ob das Volksbad Neckarstadt durch den Einbau einer Sauna dem Stadtteil noch heute erhalten geblieben wäre. Der Wandel von der Bedürfnisanstalt zur Körperhygiene hin zu einer „attraktiven Wellness-Oase“ hätte durch die baulichen Veränderungen in jedem Fall den Charakter des heutigen Gebäudes nachhaltig verändert.
Abbildungsnachweise
- MARCHIVUM, Plakatsammlung, PK03563. ↩︎
- MARCHIVUM, Plakatsammlung, PK07247. ↩︎
- Schreiben des Sport- und Bäderamts vom 27.6.1972, „Betr. Raumprogramm / Volksbad Neckarstadt. Einbau einer Sauna“, in: MARCHIVUM: Sport- und Bäderamt (1945–2008), Zug. 17/1984, Nr. 247. ↩︎
- Hochbauamt vom 28.3.1973, „Betr. Volksbad Mittelstraße. Einbau einer Sauna“, in: MARCHIVUM: Sport- und Bäderamt (1945–2008), Zug. 17/1984, Nr. 247. ↩︎