3. Gründung der Neckarstadt
Nicht zufällig ließ die Stadt eines der ersten Volksbäder in der Neckarstadt errichten: In dem noch jungen, aber überbevölkerten Stadtteil waren Armut und ungesunde Lebensumstände ein echtes Problem. Das Volksbad sollte Hilfe schaffen.
Vorgeschichte: Vom Idyll der Neckargärten…
Lange vor der heutigen Neckarstadt lagen hier die idyllischen „Neckargärten“. Das Gelände nördlich des Neckars gehörte damals nicht mal zu Mannheim. Ihren Anfang nahm die Neckarstadt als Kurfürst Karl Ludwig 1679 die Allmende „Pflügersgrund“ der Stadt als Bürgergärten anbot. Um die erste feste Brücke über den Neckar zu finanzieren, verloste die Stadt die Parzellen unter den Bürger:innen. Als Mannheim wenig später 1689 im Pfälzischen Erbfolgekrieg zerstört wurde, wurden die Gärten sogar für einige Jahre als „Neu-Mannheim“ bewohnt. Vor allem dienten die Neckargärten im 18. Jahrhundert aber als Naherholungsgebiet, in denen Wohlhabende prächtige Garten-Pavillons errichten ließen. Ende des 18. Jahrhundert fanden sich in den Neckargärten etwa 550 Gärten, dazu kleinere Handwerksbetriebe, Brauereien und Gewerbetreibende.
… zum neuen Stadtteil Neckarvorstadt
Die Zeit als beschauliche Gartenkolonie endete im 19. Jahrhundert: wie in vielen Städten der Industrialisierung, wuchs auch Mannheim über die Grenzen der barocken Festungsstadt hinaus. Denn Fabriken brauchten Platz und tausende Arbeiter:innen suchten Wohnraum. In Mannheim und andernorts hielt die Bautätigkeit nicht mit dem Zustrom an Menschen Schritt.
Der Wohnraummangel wurde ab den 1860er Jahren ein echtes Problem. Die Unterstadt, das traditionelle Armenquartier, war überfüllt. Auch das Hafenviertel im Jungbusch wurde schon als Wohnraum erschlossen. Abbhilfe sollte nun die Bebauung der ehemaligen Bürgergärten in der heutigen Schwetzinger- und Neckarstadt schaffen (2).
Jenseits des Neckars beschloss die Stadt 1872 sogar die Fortführung der „Quadrate“ zwischen Messplatz und den Neckargärten (bis zum heutigen Neumarkt). In den ehemaligen Neckargärten konnten diese aufgrund der Eigentumsrechte nicht fortgesetzt werden. Hier herrschte bis in die 1890er Jahre faktische Baufreiheit, sodass die früheren Gartenparzellen in Eigenregie mit Wohnhäusern bebaut worden waren. Noch heute drückt sich dies in den viel engeren Straßen entlang kleinerer Häuser samt mancher Vorgärten zwischen Neumarkt und Untermühlaustraße aus (3+4).
Stadtteil der Arbeiter:innen: Schlechte Wohnungen und Armut
Mit dem schlagartigen Wachstum war auch eine neue soziale Gruppe in die Stadt gezogen: Mannheim war nicht mehr nur Residenz wohlhabenderer Bürger:innen, sondern nun auch Wohnort der ärmeren Arbeiter:innen. Diese strömten vom Land in die Städte, um dort für einen Hungerlohn in den Fabriken zu arbeiten.
So wohnten auch der Neckarstadt vorrangig ärmere Menschen. Ihre Lage verschärfte sich wegen mangelnder Bau- und Sozialgesetze. Denn Eigentümer:innen wurden kaum daran gehindert ihre Grundstücke maximal auszulasten, um mehr Miete einzunehmen. Es entstanden dichtbebaute Blockrandviertel, in dem der oft kleine Hof bloß als Zugang zum Hinterhaus diente. Ebenso bestanden die Wohnungen aus wenigen oder nur einem Zimmer. Hier drangen Licht und Luft kaum ein, sodass die dunklen, feuchten Räume krank machten – v.a. Kinder litten unter Lungen-Tuberkulose.
Besonders problematisch war die chronische Überbelegung solcher Wohnungen: die ganze Familie teilte sich meist einen Raum aus Wohnküche, Tisch und Bett. Hier wurde am Kohleofen gekocht, Wäsche am Zuber gewaschen und im Zimmer getrocknet, der Tisch wurde zur Heimarbeit genutzt und in einem Bett gemeinsam geschlafen. Kurzum: es gab keine Privatsphäre oder irgendeinen wohnlichen Komfort (6+7).
Ende 1880er Jahre: Die Stadt soll eingreifen
Nicht nur in den Wohnungen, sondern auch auf den Straßen häuften sich Mängel. Inzwischen äußerte sich auch die Presse. Ein Bericht von 1886 kritisierte etwa die weiterhin fehlende Kanalisation. Weil so alle Abwässer auf die Straßen gegossen werden müssten, wären diese zu versumpften, übelriechenden Kloaken geworden:
„Im Interesse der Bewohner der Neckargärten, im Interesse der öffentlichen Gesundheit, sollte mit der Kanalisation nicht länger gewartet werden […] bis eine epidemische Krankheit ausgebrochen ist“.
Auch immer mehr Bewohner:innen forderten lautstark bessere Wohnverhältnisse. Sie erreichten, dass das badische Innenministerium 1887 die Stadt ermahnte. Sie solle die „erheblichen Missstände“ rasch beseitigen. Zunächst fiel darunter die Ausbesserung der Straßen. Es ist aber anzunehmen, dass weitreichendere Maßnahmen zur Beruhigung der Lage vorgenommen werden mussten. Denn noch im gleichen Jahr beriet der Stadtrat zum Bau eines „Volksbrausebads“ in der Neckarstadt.
Abbildungsnachweise
- Hans-Joachim Hirsch: Mannheim-Neckarstadt (schriftenreihe Marchivum, Bd. 8), Mannheim 2022, S. 40. ↩︎
- MARCHIVUM, Kartensammlung, KS00887 ↩︎
- MARCHIVUM, Kartensammlung, KS00034 ↩︎
- MARCHIVUM, Einzelbilder, GF01378 ↩︎
- MARCHIVUM, Einzelbilder, GP00283, Nr. 19 ↩︎
- MARCHIVUM, Einzelbilder, GP00283, Nr. 17 ↩︎
- MARCHIVUM, Einzelbilder, KF01378 ↩︎