5. Badealltag, Bademeister und die Familie Jacob
Die verschiedenen Bademeister prägten den Badebetrieb. Darunter kümmerten sich Bademeister Fridolin und seine Ehefrau Hildegard Jacob über 25 Jahre um das Volksbad und hinterließ allerhand Quellen, die vom Badealltag erzählen.
Das Bäderpersonal
Für den Betrieb des Volksbads war der Bademeister verantwortlich. Er sollte die Badekarten kassieren, die Kabinen sauber und die Technik instand halten. Er war aber nicht alleine: Vertraglich musste auch die Ehefrau des Bademeisters mitarbeiten und wirkte als dessen Stellvertreterin. Beide waren bei der Stadt regulär angestellt und bewohnten im Neubau von 1931 sogar eine geräumige Dienstwohnung im Dachgeschoss. Wegen der strengen Trennung der Bäderbereiche nach Geschlechtern war es der Stadt wichtig, dass sowohl ein Mann als auch eine Frau die Bäder betrieben.
Das Bademeister-Ehepaar wurde zusätzlich von bis zu drei Badehelfern unterstützt, die in allen Bereichen aushalfen. Die vielen Hände waren besonders am wöchentlichen Reinigungstag nötig, zu dem das Bad geschlossen wurde und alle Kabinen grundsätzlich gereinigt wurden. Spätestens als die Volksbäder ab den 1960er Jahren an Bedeutung verloren, wurden die Badehelfer aber eingespart und das Bademeister-Paar musste sich alleine um das Volksbad kümmern.
Der Bademeister war ein Heizer
Auch wenn es einen Bademeister gab, war der Betrieb des Volksbads vor allem eine technische Aufgabe. Denn für den Badebetrieb war die Erwärmung des Wassers über Öfen und die damals neuen Sanitäranlagen nötig. Zur Wartung der Technik beschäftigte das städtische Maschinenamt in den einzelnen Amtsgebäuden sog. Heizer. Diese mussten mühsam Kohlen in Öfen schaufeln, damit es in den Amtsstuben und Schulen erträglich warm wurde. In den Volksbädern wurden diese Heizer zwar Bademeister genannt, mussten aber auch dort die Öfen befeuern, Technik warten und eben zusätzlich den Badebetrieb organisieren.
Mit der Umstellung der Beheizung von Kohle auf Gas oder Fernwärme wurde das Maschinenamt 1962 aufgelöst. Die Volksbäder wurden nun vom Sport- und Bäderamt betrieben. Dessen Fokus lag aber auf den Frei- und Hallenbädern, in denen neben der Hygiene auch Sport möglich sind.
Bademeister im NS
Von den zwei Bademeistern im Nationalsozialismus sind nur wenige Dokumente bekannt. Bademeister Neuburger (1931–1935) konnte in seiner Dienstzeit etwa die Reinigung der Gehwege, die besonders bei Schnee mühsam war, auf den Hausmeister des im selben Gebäude angesiedelten Fürsorgeamtes übertragen. Erfolgreich hatte er dem Maschinenamt gedroht, bei zweistündigem Schneeschippen nicht angemessen auf die bereits angefeuerten Gaskessel achten zu können. Obwohl er seine Korrespondenzen stets mit dem Hitlergruß unterschrieb, blieb er nicht lange Bademeister. Es bleibt offen, ob das mit den 1934 gehäuften Beschwerden zusammenhängt, dass männliches Personal entgegen der Geschlechtertrennung die Frauenkabinen bediene.
Seinen Nachfolger Franz Kümeler (1935–1957) dagegen mahnte das Maschinenamt 1937 an, dass im gesamten Volksbad – auch im Bademeisterbüro – striktes Rauchverbot herrsche. Es reagierte auf die Beschwerde eines Badegastes über den Tabakkonsum von Badegästen: „Es werden in der Hauptsache übelriechende Zigarren geraucht, man sieht die Hand vor den Augen nicht mehr und ein Verbleiben im Warteraum wird unmöglich.“ Es scheint, dass weitere Beschwerden auf das Bademeisterbüro verwiesen.
Kurz darauf richtete sich die nächste Ermahnung an seine Badehelfer. Die Stadt rügte das Personal, sie dürfen keine Selbstjustiz ergreifen. Vorausgegangen war im November 1938 ein Streit zwischen einem Badegast und Badehelfer Meckler. Der Badegast hatte sich in seiner Kabine rasiert und sich für Hilfe an den Badehelfer gewannt. Weil seit Kurzem ein Rasierverbot im Bad galt, riss der Badehelfer stattdessen das Rasierzeug an sich. Er eilte damit ins Büro und wollte schon die Polizei rufen, als der Badegast seine Habe wieder an sich nahm und sich der Badehelfer im Handgemenge verletzte. Die Polizei hatte kein Verständnis für das übergriffige Verhalten und ermahnte den Badehelfer bei der Stadt.
Ausgrenzung im NS – Baden nicht für alle
Es darf nicht unerwähnt bleiben, dass im NS Menschen aus rassistischen Motiven pauschal aus öffentlichen Einrichtungen ausgeschlossen wurden. Für das Volksbad Neckarstadt gibt es hierzu leider keine amtlichen Quellen – oft erfolgte die Ausgrenzung durch einfache Aushänge an der Tür. Bekannt ist in Mannheim nur, dass Jüd:innen ab Juli 1935 nicht mehr das Herschelbad besuchen und das heutige Strandbad nur „auf eigene Gefahr“ betreten konnten. Einzig das Rhein-Flussbad Herweck blieb zunächst für alle Mannheimer:innen geöffnet, bis es nach einem progromartigen Überfall der SA am 30. Juli 1935 ebenfalls den Zugang für Jüd:innen verbieten musste. Da es sich hierbei um Freizeitbäder handelt, ist anzunehmen, dass die Volksbäder als Hygiene-Anstalten zunächst von allen weiter besucht werden konnten. Mit der verschärften Verfolgung ab Herbst 1938 dürfte aber auch der Zugang zu den Volksbädern eingeschränkt worden sein.
Dienstzeit Fridolin & Hildegard Jacob (1962–1988)
Ein Vierteljahrhundert waren Bademeister Fridolin und seine Ehefrau Hildegard Jacob das Gesicht des Volksbads Neckarstadt (3). Sicher hatten die beiden ihre langjährige Verbundenheit mit dem Bad nicht geahnt, als Fridolin 1960 seine Arbeit beim Mannheimer Sport- und Bäderamt begann. Im Herbst 1962 übernahm er von Vorgänger Clos (1957–1962) den Posten des Bademeisters mit seinem ersten Eintrag ins Reparaturbuch. Fast 20 Jahre später versprach ihm Bürgermeister Manfred David zu seinem Dienstjubiläum 1985 eine Champagner-Dusche aus einem Brausekopf, wobei unklar ist, ob das Versprechen je eingehalten wurde. Erst mit der Schließung des Volksbads Ende 1988 verließ die Familie Jacob die Mittelstraße 42.
Hildegard Jacob – Sauberkeit und weiße Wäsche
Mit dem Badebetrieb der Frauen hatte Hildegard wohl allerhand zu tun. Trotzdem schien sie nicht nur die regelmäßige und grundlegende Bäderreinigung zu überwachen, sondern kümmerte sich auch um die Reinigung der ausgegebenen Handtücher. Dazu brachte sie die Wäsche in das Dachgeschoss, wo alle Handtücher gewaschen, getrocknet und schließlich zurück ins Volksbad gebracht wurden.
Fridolin Jacob – beherzter Bademeister mit Hang zum Bewährten
Ehemann Fridolin sorgte sich derweil um andere Projekte: So wurde ihm 1967 der Verkauf von Getränken anvertraut. Offensichtlich fanden „Grüner Märzen“-Bier, „Serino-Orange“-Limo oder Mineralwasser im Volksbad aber keine große Nachfrage. Alle zwei Wochen wurden durchschnittlich nur zwei Kisten Bier bestellt, worauf das Angebot 1970 eingestellt wurde. Auf eigene Rechnung ließ sich Fridolin seither sein Bier weiter ins Volksbad liefern.
Eine andere Aufgabe von Fridolin lag in der Bestellung von Seifen und Badezusätzen. Längst wurde sich nicht ausschließlich mit Kernseife gewaschen, sodass auch die städtischen Bäder ein breiteres Angebot bereithalten mussten. Fridolin experimentierte kurze Zeit mit exklusiveren Crème-Shampoos, beließ es aber bald bei der bewährten Seife und der Fichtennadelessenz für ein wohliges Wannenbad.
Auch als Ersthelfer musste Fridolin hin und wieder tätig werden. Aus seiner Zeit finden sich fünf Meldebögen über Platzwunden, Verstauchungen und Gehirnerschütterungen in Folge von Stürzen auf den nassen Böden. Einem 70-jährigem Badegast konnte nach einem Herzschlag im Brausebad bedauerlicherweise nicht mehr geholfen werden.
Ablauf – vom Kauf der Badekarte bis in die Kabine
So viel zu den Bademeistern, aber wie nutzten die Neckarstädter:innen das Volksbad? Die Badegäste betraten es von der Mittelstraße über die noch heute genutzte Kellertreppe. Gleich am Eingang wurden die Badekarten gekauft und die Gäste nach Geschlechtern getrennt: links ging es in den Warteraum der Frauen, rechts in den der Männer. Hier warteten die Badegäste bis die Nummer ihrer Karte aufgerufen wurde und sie vom Badepersonal eine Kabine zugewiesen bekamen.
Die Zeit in der eigenen Kabine war aber begrenzt. Denn der Besuch im Volksbad diente der Hygiene, nicht der Freizeit: Wer für eine Dusche zahlte, durfte die Kabine 30 Minuten nutzen; für ein Wannenbad wurden 45 Minuten gestattet. In dieser Zeit mussten sich die Gäste aber auch umziehen, abtrocknen und irgendwie versuchen in der nassen Kabine die Socken über die noch feuchten Füße zu ziehen. Wer die Badezeit überschritt, musste für ein weiteres Bad bezahlen.
Nach dem Bad konnten sich die Badegäste noch ihre Haare an den Föhnapparaten im Warteraum trocknen. Das Badepersonal wiederum reinigte die Kabine nach jeder Nutzung, trocknete die Böden und wechselte ggf. das hölzerne Lattenrost in den Duschen. Erst dann konnte der nächste Badegast kommen.
Übrigens gab es keinen Kindertarif. Ab 6 Jahren musste der volle Preis für ein Wannenbad oder eine Dusche gezahlt werden. Bis 10 Jahren durften Kinder die Eltern aber in eine Kabine begleiten.
Beschwerden
Nicht allen Gästen war die Badeordnung im Detail geläufig. Ein Badegast beschwerte sich bei der Stadt über sein Hausverbot. Fridolin Jacob begründete damit, dass der Badegast wiederholt die Badezeiten überschritt, zudem die Wanne für die Reinigung seiner Wäsche missbrauchte und sich mehrere Thermoskannen heißes Wasser für den Hausgebrauch abfüllte.
Eine andere Beschwerde erreichte die Stadt 1958 noch vor der Ära Fridolins. Darin bemängelte ein Gast, „dass die Wände des Vorraumes derart verschmutzt sind, dass man sich mit einem guten Anzug nicht anlehnen kann, ohne Gefahr zu laufen, ein Abbild der Verschmutzung mit nach Hause nehmen zu müssen. Ich habe Verständnis dafür, dass man diesen Raum nicht jedes Jahr renovieren, aber doch von Zeit zu Zeit abwaschen lassen kann.“