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1962 – 1988

5. Badealltag, Bademeister und die Familie Jacob

Das Bäderpersonal

Für den Betrieb des Volks­bads war der Bade­meis­ter ver­ant­wort­lich. Er soll­te die Bade­kar­ten kas­sie­ren, die Kabi­nen sau­ber und die Tech­nik instand hal­ten. Er war aber nicht allei­ne: Ver­trag­lich muss­te auch die Ehe­frau des Bade­meis­ters mit­ar­bei­ten und wirk­te als des­sen Stell­ver­tre­te­rin. Bei­de waren bei der Stadt regu­lär ange­stellt und bewohn­ten im Neu­bau von 1931 sogar eine geräu­mi­ge Dienst­woh­nung im Dach­ge­schoss. Wegen der stren­gen Tren­nung der Bäder­be­rei­che nach Geschlech­tern war es der Stadt wich­tig, dass sowohl ein Mann als auch eine Frau die Bäder betrieben.

Das Bade­meis­ter-Ehe­paar wur­de zusätz­lich von bis zu drei Bade­hel­fern unter­stützt, die in allen Berei­chen aus­hal­fen. Die vie­len Hän­de waren beson­ders am wöchent­li­chen Rei­ni­gungs­tag nötig, zu dem das Bad geschlos­sen wur­de und alle Kabi­nen grund­sätz­lich gerei­nigt wur­den. Spä­tes­tens als die Volks­bä­der ab den 1960er Jah­ren an Bedeu­tung ver­lo­ren, wur­den die Bade­hel­fer aber ein­ge­spart und das Bade­meis­ter-Paar muss­te sich allei­ne um das Volks­bad kümmern.

(1) Im Dach­ge­schoss waren nicht nur Büros des Für­sor­ge­am­tes, son­dern auch eine Woh­nung für das Bade­meis­ter­paar (unten rechts) ein­ge­rich­tet. Der Tro­cken­spei­cher neben dem Behäl­ter­raum dien­te wohl der Wäsche aus dem Volks­bad. Plan von 1931.1

Der Bademeister war ein Heizer

Auch wenn es einen Bade­meis­ter gab, war der Betrieb des Volks­bads vor allem eine tech­ni­sche Auf­ga­be. Denn für den Bade­be­trieb war die Erwär­mung des Was­sers über Öfen und die damals neu­en Sani­tär­an­la­gen nötig. Zur War­tung der Tech­nik beschäf­tig­te das städ­ti­sche Maschi­nen­amt in den ein­zel­nen Amts­ge­bäu­den sog. Hei­zer. Die­se muss­ten müh­sam Koh­len in Öfen schau­feln, damit es in den Amts­stu­ben und Schu­len erträg­lich warm wur­de. In den Volks­bä­dern wur­den die­se Hei­zer zwar Bade­meis­ter genannt, muss­ten aber auch dort die Öfen befeu­ern, Tech­nik war­ten und eben zusätz­lich den Bade­be­trieb organisieren.

Mit der Umstel­lung der Behei­zung von Koh­le auf Gas oder Fern­wär­me wur­de das Maschi­nen­amt 1962 auf­ge­löst. Die Volks­bä­der wur­den nun vom Sport- und Bäder­amt betrie­ben. Des­sen Fokus lag aber auf den Frei- und Hal­len­bä­dern, in denen neben der Hygie­ne auch Sport mög­lich sind.

Bademeister im NS

Von den zwei Bade­meis­tern im Natio­nal­so­zia­lis­mus sind nur weni­ge Doku­men­te bekannt. Bade­meis­ter Neu­bur­ger (1931–1935) konn­te in sei­ner Dienst­zeit etwa die Rei­ni­gung der Geh­we­ge, die beson­ders bei Schnee müh­sam war, auf den Haus­meis­ter des im sel­ben Gebäu­de ange­sie­del­ten Für­sor­ge­am­tes über­tra­gen. Erfolg­reich hat­te er dem Maschi­nen­amt gedroht, bei zwei­stün­di­gem Schnee­schip­pen nicht ange­mes­sen auf die bereits ange­feu­er­ten Gas­kes­sel ach­ten zu kön­nen. Obwohl er sei­ne Kor­re­spon­den­zen stets mit dem Hit­ler­gruß unter­schrieb, blieb er nicht lan­ge Bade­meis­ter. Es bleibt offen, ob das mit den 1934 gehäuf­ten Beschwer­den zusam­men­hängt, dass männ­li­ches Per­so­nal ent­ge­gen der Geschlech­ter­tren­nung die Frau­en­ka­bi­nen bediene.

Sei­nen Nach­fol­ger Franz Küme­l­er (1935–1957) dage­gen mahn­te das Maschi­nen­amt 1937 an, dass im gesam­ten Volks­bad – auch im Bade­meis­ter­bü­ro – strik­tes Rauch­ver­bot herr­sche. Es reagier­te auf die Beschwer­de eines Bade­gas­tes über den Tabak­kon­sum von Bade­gäs­ten: „Es wer­den in der Haupt­sa­che übel­rie­chen­de Zigar­ren geraucht, man sieht die Hand vor den Augen nicht mehr und ein Ver­blei­ben im War­te­raum wird unmög­lich.“ Es scheint, dass wei­te­re Beschwer­den auf das Bade­meis­ter­bü­ro verwiesen.

Kurz dar­auf rich­te­te sich die nächs­te Ermah­nung an sei­ne Bade­hel­fer. Die Stadt rüg­te das Per­so­nal, sie dür­fen kei­ne Selbst­jus­tiz ergrei­fen. Vor­aus­ge­gan­gen war im Novem­ber 1938 ein Streit zwi­schen einem Bade­gast und Bade­hel­fer Meck­ler. Der Bade­gast hat­te sich in sei­ner Kabi­ne rasiert und sich für Hil­fe an den Bade­hel­fer gewannt. Weil seit Kur­zem ein Rasier­ver­bot im Bad galt, riss der Bade­hel­fer statt­des­sen das Rasier­zeug an sich. Er eil­te damit ins Büro und woll­te schon die Poli­zei rufen, als der Bade­gast sei­ne Habe wie­der an sich nahm und sich der Bade­hel­fer im Hand­ge­men­ge ver­letz­te. Die Poli­zei hat­te kein Ver­ständ­nis für das über­grif­fi­ge Ver­hal­ten und ermahn­te den Bade­hel­fer bei der Stadt.

Ausgrenzung im NS – Baden nicht für alle

Es darf nicht uner­wähnt blei­ben, dass im NS Men­schen aus ras­sis­ti­schen Moti­ven pau­schal aus öffent­li­chen Ein­rich­tun­gen aus­ge­schlos­sen wur­den. Für das Volks­bad Neckar­stadt gibt es hier­zu lei­der kei­ne amt­li­chen Quel­len – oft erfolg­te die Aus­gren­zung durch ein­fa­che Aus­hän­ge an der Tür. Bekannt ist in Mann­heim nur, dass Jüd:innen ab Juli 1935 nicht mehr das Her­schel­bad besu­chen und das heu­ti­ge Strand­bad nur „auf eige­ne Gefahr“ betre­ten konn­ten. Ein­zig das Rhein-Fluss­bad Her­weck blieb zunächst für alle Mannheimer:innen geöff­net, bis es nach einem pro­grom­ar­ti­gen Über­fall der SA am 30. Juli 1935 eben­falls den Zugang für Jüd:innen ver­bie­ten muss­te. Da es sich hier­bei um Frei­zeit­bä­der han­delt, ist anzu­neh­men, dass die Volks­bä­der als Hygie­ne-Anstal­ten zunächst von allen wei­ter besucht wer­den konn­ten. Mit der ver­schärf­ten Ver­fol­gung ab Herbst 1938 dürf­te aber auch der Zugang zu den Volks­bä­dern ein­ge­schränkt wor­den sein.

(2) Im Som­mer 1935 wur­de Jüd:innen der Zutritt der städ­ti­schen Frei­zeit­bä­der – also em Her­schel­bad, den Rhein­fluss- und Frei­bä­dern – ver­bo­ten. Es ist anzu­neh­men, dass Volks­bä­der als Bedürf­nis­an­stal­ten noch bis zur Ver­schär­fung der anti­se­mi­ti­schen Aus­gren­zung ab 1938 von Jüd:innen benutzt wer­den durf­ten. Foto des Ver­bot­schilds vom Her­schel­bad von 1945.2

Dienstzeit Fridolin & Hildegard Jacob (1962–1988)

Ein Vier­tel­jahr­hun­dert waren Bade­meis­ter Fri­do­lin und sei­ne Ehe­frau Hil­de­gard Jacob das Gesicht des Volks­bads Neckar­stadt (3). Sicher hat­ten die bei­den ihre lang­jäh­ri­ge Ver­bun­den­heit mit dem Bad nicht geahnt, als Fri­do­lin 1960 sei­ne Arbeit beim Mann­hei­mer Sport- und Bäder­amt begann. Im Herbst 1962 über­nahm er von Vor­gän­ger Clos (1957–1962) den Pos­ten des Bade­meis­ters mit sei­nem ers­ten Ein­trag ins Repa­ra­tur­buch. Fast 20 Jah­re spä­ter ver­sprach ihm Bür­ger­meis­ter Man­fred David zu sei­nem Dienst­ju­bi­lä­um 1985 eine Cham­pa­gner-Dusche aus einem Brause­kopf, wobei unklar ist, ob das Ver­spre­chen je ein­ge­hal­ten wur­de. Erst mit der Schlie­ßung des Volks­bads Ende 1988 ver­ließ die Fami­lie Jacob die Mit­tel­stra­ße 42.

(3) Das ein­zi­ge Foto von Bade­meis­ter Fri­do­lin und Ehe­frau Hil­de­gard Jacob, die nach einer Teil­re­no­vie­rung 1983 die neu­en Bade­wan­nen des Volks­bads Neckar­stadt begut­ach­ten.3

Hildegard Jacob – Sauberkeit und weiße Wäsche

Mit dem Bade­be­trieb der Frau­en hat­te Hil­de­gard wohl aller­hand zu tun. Trotz­dem schien sie nicht nur die regel­mä­ßi­ge und grund­le­gen­de Bäder­rei­ni­gung zu über­wa­chen, son­dern küm­mer­te sich auch um die Rei­ni­gung der aus­ge­ge­be­nen Hand­tü­cher. Dazu brach­te sie die Wäsche in das Dach­ge­schoss, wo alle Hand­tü­cher gewa­schen, getrock­net und schließ­lich zurück ins Volks­bad gebracht wurden.

Fridolin Jacob – beherzter Bademeister mit Hang zum Bewährten

Ehe­mann Fri­do­lin sorg­te sich der­weil um ande­re Pro­jek­te: So wur­de ihm 1967 der Ver­kauf von Geträn­ken anver­traut. Offen­sicht­lich fan­den „Grü­ner Märzen“-Bier, „Serino-Orange“-Limo oder Mine­ral­was­ser im Volks­bad aber kei­ne gro­ße Nach­fra­ge. Alle zwei Wochen wur­den durch­schnitt­lich nur zwei Kis­ten Bier bestellt, wor­auf das Ange­bot 1970 ein­ge­stellt wur­de. Auf eige­ne Rech­nung ließ sich Fri­do­lin seit­her sein Bier wei­ter ins Volks­bad liefern.

Eine ande­re Auf­ga­be von Fri­do­lin lag in der Bestel­lung von Sei­fen und Bade­zu­sät­zen. Längst wur­de sich nicht aus­schließ­lich mit Kern­sei­fe gewa­schen, sodass auch die städ­ti­schen Bäder ein brei­te­res Ange­bot bereit­hal­ten muss­ten. Fri­do­lin expe­ri­men­tier­te kur­ze Zeit mit exklu­si­ve­ren Crè­me-Sham­poos, beließ es aber bald bei der bewähr­ten Sei­fe und der Fich­ten­na­del­es­senz für ein woh­li­ges Wannenbad.

Auch als Erst­hel­fer muss­te Fri­do­lin hin und wie­der tätig wer­den. Aus sei­ner Zeit fin­den sich fünf Mel­de­bö­gen über Platz­wun­den, Ver­stau­chun­gen und Gehirn­er­schüt­te­run­gen in Fol­ge von Stür­zen auf den nas­sen Böden. Einem 70-jäh­ri­gem Bade­gast konn­te nach einem Herz­schlag im Brau­se­bad bedau­er­li­cher­wei­se nicht mehr gehol­fen werden.

Ablauf – vom Kauf der Badekarte bis in die Kabine

So viel zu den Bade­meis­tern, aber wie nutz­ten die Neckarstädter:innen das Volks­bad? Die Bade­gäs­te betra­ten es von der Mit­tel­stra­ße über die noch heu­te genutz­te Kel­ler­trep­pe. Gleich am Ein­gang wur­den die Bade­kar­ten gekauft und die Gäs­te nach Geschlech­tern getrennt: links ging es in den War­te­raum der Frau­en, rechts in den der Män­ner. Hier war­te­ten die Bade­gäs­te bis die Num­mer ihrer Kar­te auf­ge­ru­fen wur­de und sie vom Bade­per­so­nal eine Kabi­ne zuge­wie­sen bekamen.

Die Zeit in der eige­nen Kabi­ne war aber begrenzt. Denn der Besuch im Volks­bad dien­te der Hygie­ne, nicht der Frei­zeit: Wer für eine Dusche zahl­te, durf­te die Kabi­ne 30 Minu­ten nut­zen; für ein Wan­nen­bad wur­den 45 Minu­ten gestat­tet. In die­ser Zeit muss­ten sich die Gäs­te aber auch umzie­hen, abtrock­nen und irgend­wie ver­su­chen in der nas­sen Kabi­ne die Socken über die noch feuch­ten Füße zu zie­hen. Wer die Bade­zeit über­schritt, muss­te für ein wei­te­res Bad bezahlen.

Nach dem Bad konn­ten sich die Bade­gäs­te noch ihre Haa­re an den Föhn­ap­pa­ra­ten im War­te­raum trock­nen. Das Bade­per­so­nal wie­der­um rei­nig­te die Kabi­ne nach jeder Nut­zung, trock­ne­te die Böden und wech­sel­te ggf. das höl­zer­ne Lat­ten­rost in den Duschen. Erst dann konn­te der nächs­te Bade­gast kommen.

Übri­gens gab es kei­nen Kin­der­ta­rif. Ab 6 Jah­ren muss­te der vol­le Preis für ein Wan­nen­bad oder eine Dusche gezahlt wer­den. Bis 10 Jah­ren durf­ten Kin­der die Eltern aber in eine Kabi­ne begleiten.

Beschwerden

Nicht allen Gäs­ten war die Bade­ord­nung im Detail geläu­fig. Ein Bade­gast beschwer­te sich bei der Stadt über sein Haus­ver­bot. Fri­do­lin Jacob begrün­de­te damit, dass der Bade­gast wie­der­holt die Bade­zei­ten über­schritt, zudem die Wan­ne für die Rei­ni­gung sei­ner Wäsche miss­brauch­te und sich meh­re­re Ther­mos­kan­nen hei­ßes Was­ser für den Haus­ge­brauch abfüllte.

Eine ande­re Beschwer­de erreich­te die Stadt 1958 noch vor der Ära Fri­do­lins. Dar­in bemän­gel­te ein Gast, „dass die Wän­de des Vor­rau­mes der­art ver­schmutzt sind, dass man sich mit einem guten Anzug nicht anleh­nen kann, ohne Gefahr zu lau­fen, ein Abbild der Ver­schmut­zung mit nach Hau­se neh­men zu müs­sen. Ich habe Ver­ständ­nis dafür, dass man die­sen Raum nicht jedes Jahr reno­vie­ren, aber doch von Zeit zu Zeit abwa­schen las­sen kann.“

Abbildungsnachweise

  1. MARCHIVUM, Plan­samm­lung, PL01713. ↩︎
  2. MARCHIVUM, Ein­zel­bil­der, KF042441. ↩︎
  3. „Öffent­li­ches Bad nach wie vor not­wen­dig“, in: Rhein-Neckar-Zei­tung vom 2.12.1983 (Nr. 278). ↩︎